Wenn aus einer überlieferten Sage durch Nachforschungen und Belege Wahrheit wird, freut es den Historiker!

Im Taufbuch vermerkte der aus Riedlingen an der Donau kommende Pfarrer Johannes Kienlin nicht nur Name und Geburtsdatum sowie die Eltern des Kindes, sondern auch gerne den „Übernamen“ des Vaters. In diesem Falle war es Hans Stauß, genannt „Kesselhans“. Aus diesem wurde später der Kübele-Hannes. Pfarrer Kienlin war nur von Januar bis Mai 1650 in Lautlingen.  

Die Protagonisten

Die Brüder von Stauffenberg aus der Lautlinger Linie prägten das Dorf und die Zeit

Als Ortsherren traten beide auf, ihr Vater war der erste Stauffenberg in Lautlingen. Seit dem 30 jährigen Krieg bis heute ist die Familie hier ansässig! Johann Friedrich und Johann Werner sind mit der Geschichte des Kübele-Hannes (Hans Stauß) eng verbunden.

Kurz gefasst war es so, dass wir zunächst immer von der Sagengestalt ausgegangen sind. In den Notizen von Pfarrer Pfeffer (Beginn 20. Jahrhundert) fanden sich jedoch ganz andere Hinweise aus den Geschichtsbüchern wie: „Im Jahr 1715 ver­kauft Christoph Single, Heiligenpfleger, dem sog. „Kibell Hanssele“ ½ Jauchert Acker im Meßstetter Tal um 26 Gulden.“

Damit war klar, dass wir uns hier auf einer anderen Ebene bewegen. Ein Blick in die Kirchenbücher verriet uns mehr über Hans Stauß, der vermutlich Kessel und Eimer herstellte und flickte, der aber auch hier im Dorf als Ehemann, Vater und Pate auftritt. Also eine ganz reale Person! Was wir aber in den Kirchenbüchern logischerweise nicht gefunden haben, ist sein Todesdatum bzw. der Eintrag dazu. 

Es handelte sich um einen bedauerlichen Suizid, was in der katholischen Kirche damit einherging, dass keine Eintragung und keine reguläre Beerdigung erfolgte. Normalerweise wurden diese Menschen, die ein schweres Schicksal erlitten hatten, in aller Stille neben dem geweihten Kirchhof beerdigt. Dass es im falle des Hans Stauß, unserem Kübele-Hannes, ganz anders ausging, zeigt, dass er im Dorf bekannt war. Es war nämlich durchaus nicht normal, dass die Ortsherren sich darum sorgten wo der Verstorbene begraben wird und dass den Totengräbern und Sargträgern noch ein Schwur abgenommen wurde! 

Jedes Jahr aufs Neue – Der Kübele-Hannes kommt aus dem Fass

Die traurige Geschichte vom Tod des Mitbürgers „Kübell-Hannsele“ und der damals durchaus üb­lichen Bestattung in ungeweihter Erde wird von Albert Pfeffer, der hauptsächlich Verhör- und Ge­richtsprotokolle sowie Kirchenbücher auswertete, wie folgt wiedergegeben:

„9. Juni 1716. Von der Herrschaft, nämlich v. Freiherr Joh. Friedrich Schenk v. Stauffenberg, Herr auf Wilflingen, Egelfingen und Rißtissen, Feldmarschall-Leutnant, Statthalter des Joh. Ordens zu Heitersheim, Kommenthur in Hemmendorf, und Joh. Wilhelm Schenk v. Stauffenberg, Herr auf Geislingen, Baisingen u. Horn, Magister u. Bamberger geheimen Rat, Gebrüder, wird nach reifer Überlegung, nach Umständen der Sache für gut befunden, dass der aus übermäßiger Melancoley den 5. des Monats sich selbst er­henkte sogenannter Kübell-Hansele nächtlicher Weise aus seinem Haus geführt, von 6 gewährten Männern begleitet u. durch den Wilflinger u. hiesigen Schützen an einem ohngeweihten, absaitigen Ort begraben werden solle, mit aus hoher Ursache beigefügtem strengen Befehl u. Androhung aller Ungnade, dass solches also in der Stille angestellt werde, dass der Ort niemand, als die dazu erwiesenen Männer wissen u. immer schweigen sollen, also Hans Jakob Osswald, Joh. Jerg Dre­scher, Hans Eppler, Joh. Rösch, Martin Osswald, Lazarus Stähle, Martini Eppler.

Sie haben zuvor der Herrschaft zu geloben u. einen körperlichen Eid zu schwören, dass sie bei den Pflichten, die sie gelobt, bei Verlust der Gnade, weder Weib noch Kindern, Freunden, Verwandten u. Bekannten, also niemanden sagen, wo obiger Totenkörper hinbegraben worden sei, sondern ein solches Gut ihres Lebens verschweigen und künftig behalten u. also tun wollen was für ehrliche und redliche Untertanen wohl anständig ist.

Eidesformel:

Wie mir vorgehalten worden u. ich mit deutlichen Worten beschieden bin, das alles habe ich recht und wohl verstanden, schwöre also hierauf einen leiblichen Eid in meiner Seel, dass ich denselben in allen Stücken fleißig und redlich nachkommen, alles stet und fest halten und vollziehen werde, so wahr mir Gott helfe, Maria die hochwürdige Mutter Gottes u. alle lieben Heiligen, wahrlich und getreulich.“

Der Ort des Geschehens dürfte wohl die heute bekannte „Kübele-Hans-Halde“ sein, denn diese ist schon in alten Flurkarten so verzeichnet und befindet sich nahe am Ort des Vergehens, der Hossinger Leiter.

Die „Narrentaufe“

Auf die obige schauerliche Geschichte beruft sich die Narrenzunft jedes Jahr wenn am 6. Januar, dem Dreikönigstag, die Fasnet eröffnet wird. Im sog. Narrenspiel verliest Ehrenzunftmeister Heiko Peter Melle die Sage vom Kübele-Hannes und seinem Schwur bei einbrechender Dunkelheit. Zum Schluss, unterlegt mit entsprechender Musik, steigt der Kübele-Hannes aus seinem Fass und eröffnet damit die Fasnet des jeweiligen Jahres.  

Die Narren ziehen zu den Klängen des „Kübele-Hannes-Marsch“ mit Fackeln in den Schlosshof ein und versammeln sich dann um den 1200-Jahr-Brunnen. Dort werden durch den amtierenden Zunftmeister, im Beisein aller Altnarren, die neu aufgenommenen Närrinnen und Narren mit „edlem Champanninger“ (oder etwas ähnlichem) getauft. Ihnen wird der Schwur zur Erhaltung der Fasnet und Wahrung der Traditionen abgenommen, womit sie dann aktive Vollmitglieder der Zunft sind.